Nachjustierung der Wahlreform 2023 – Reduzierung auf 250 optimierte Wahlkreise
Wir schlagen eine Wahlkreiseinteilung mit 250 Bundestagswahlkreisen vor, die folgende Ziele anstrebt:
- ✅ 250 statt 299 Wahlkreise
- ✅ Weniger Nichtzuteilungen von Wahlkreisen an Bewerber mit Erststimmenmehrheit
- ✅ Besonders großflächige Wahlkreise werden gezielt vermieden
Interaktive Kartendarstellung
Eine interaktive Karte der Wahlkreise ist unter folgendem Link abrufbar:1
👉 Karte
Weg zur Wahlkreisreduzierung: Der Landbonus
In der Diskussion zur Stabilisierung der Bundestagsgröße haben sowohl SPD als auch Grüne, Linke und FDP eine Reduzierung der Wahlkreise vorgeschlagen. Dies wurde bisher noch nicht durchgeführt. Vor allem Politiker der CDU/CSU befürchteten, dass größere Wahlkreise die „Distanz der Bundespolitik zum Bürger nur vergrößern“ und die politische Arbeit erschweren.23
Um dieser Problematik entgegenzuwirken, beinhaltet unser Vorschlag den sogenannten "Landbonus":
Mit dem Landbonus können Wahlkreise gebildet werden, die bei sehr dünner Besiedlung von der durchschnittlichen Bevölkerungsgröße um mehr als 25% nach unten abweichen dürfen. In unserem Vorschlag bleiben 9 von 250 Wahlkreisen unter dieser Schwelle. Sie haben einen Durchschnitt von 43 Wahlberechtigten pro km², während im deutschen Durchschnitt 171 Wahlberechtigte auf den km² treffen.
Dieser Ansatz hat folgende Vorteile:
- ✅ In dünnbesiedelten Regionen können kleinere Wahlkreise gebildet werden.
- 4 Wahlkreise umfassen gegenwärtig eine Fläche von über 4800 km² bis zu 6300 km².
- Kein Wahlkreis wird bei unserer Einteilung größer sein als 4800 km².
- ✅ Reisezeiten für Abgeordnete und Wähler verringern sich.
- ✅ Der Vorschlag ermöglicht die Wahlkreisreduzierung und verteilt den "Verlust" von Mandaten fair zwischen Stadt und Land.
- ✅ Überhangsituationen und Nichtzuteilungen von Mandaten, trotz Erststimmenmehrheit im Wahlkreis, werden wesentlich unwahrscheinlicher, bei stabiler Bundestagsgröße.
Vorbild Kanada
Der Landbonus als Kriterium für die Wahlkreiseinteilung in dünnbesiedelten Regionen folgt der Rechtsprechung des kanadischen Obersten Gerichtshofs. Dieser begründet mit dem Grundsatz der „effektiven Repräsentation“, dass der Wahlkreiszuschnitt nicht ausschließlich auf die Einwohnerzahl bezogen sein muss:4
- Die politische Betätigung in ausgedehnten Wahlkreisen findet unter größeren Schwierigkeiten statt, als in dichter besiedelten Gebieten.
- Daher erfolgt der Wahlkreiszuschnitt auch anhand der Bevölkerungsdichte/Gebietsfläche. Dies gilt nicht nur im außerordentlich dünn besiedelten Norden, sondern auch im dichteren Süden.
👉 Diese Logik ist ins deutsche Verfassungsrecht überführbar. Ein "Flächenfaktor" wurde in der Wahlrechtskommission diskutiert, auch wenn die Unterschiede in der Bevölkerungsdichte nicht so extrem sind, wie in Kanada.
Fallbeispiele für den Landbonus: Wahlkreis Altmark – Jerichower Land / Magdeburg
Ein Beispiel für eine Region, die vom Landbonus profitieren könnte, wäre die dünnbesiedelte Altmark.
Zur Bundestagswahl 2025 wurde der alten Wahlkreis Altmark, bestehend aus dem Altmarkkreis Salzwedel und dem Landkreis Stendal, um den Landkreis Jeriochower Land erweitert. Der Name änderte sich zu "Altmark - Jerichower Land". Mit der Fläche von 6 330 km² ist er der größte in Deutschland. Die Auswirkungen dieser Neuordnung waren vor Ort deutlich spürbar – insbesondere für die politische Arbeit und die Bürgernähe.
„Gerade unser Wahlkreis ist von der Wahlrechtsreform unvergleichlich stark betroffen gewesen, da das flächenmäßige Ausmaß des Wahlkreises es nicht mehr erlaubt, einen personenbezogenen Kontakt zur Bevölkerung herzustellen."
Dr. Herbert Wollmann (SPD), ehemaliger Bundestagsabgeordneter aus Stendal

Aktueller Wahlkreis Altmark - Jerichower Land
Mit der Zuhilfenahme des Landbonuses lässt sich hier der Wahlkreis verkleinern, so dass er nur noch ein Fläche von 4 740 km² besitzt. Der Landkreis Jerichower Land wird dem Wahlkreis Börde zugeschlagen. Somit besteht der neue Wahlkreis nur aus dem Altmarkkreis Salzwedel und dem Landkreis Stendal. Ohne den Landbonus wäre die Bevölkerungsanzahl für einen eigenen Wahlkreis zu gering.

Wahlkreis Altmark nach Nachjustierung
Anders verhält es sich bei eher städtischen Wahlkreisen, wie dem Wahlkreis Magdeburg. Dieser besteht aktuell aus der kreisfreien Stadt Magdeburg und den Gemeinden Barby, Schönebeck (Elbe), Calbe (Saale) und Bördeland des Salzlandkreises.

Aktueller Wahlkreis Magdeburg (gleiche Zoomstufe wie oben)
Dieser wird erweitert um die Gemeinden Nienburg (Saale) und Staßfurt.

Wahlkreis Magdeburg nach Nachjustierung
Anwendung des Konzeptes auf die Bundestagswahl 2025
Die Auswirkungen auf die einzelnen Länder, falls der Vorschlag zur Bundestagswahl 2025 zum Einsatz gekommen wäre, werden hier beschrieben:
Methodische Grundlagen der Optimierung
Die Wahlkreiseinteilung basiert auf Optimierungsverfahren. Wir verwenden folgende Grundlagen und methodische Schritte:
- Die Erstellung einer neuen Kartenbasis aus Geometrien des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie, der Bundeswahlleiterin sowie von Städten,
- die Ermittlung der Wahlberechtigtenzahlen für die Gebietseinheiten (Stadtbezirke und Gemeindeverbände),
- das R-Softwarepaket „redist“ → Simulation alternativer Wahlkreiseinteilungen5,
- das Fryer-Holden-Kriterium → Optimierung der Wahlkreise hin zu möglichst kompakten (im Sinne einer Distanzminimierung zwischen den Einwohnern der in den Wahlkreis einbezogenen Gebietseinheiten)6 und
- einen Ausgleich zwischen dem Bedürfnis Wahlkreise zu bilden, die innerhalb der gegebenen Siedlungsstruktur möglichst kompakt sind, die aber auch wo es möglich ist, Verwaltungsgrenzen nicht durchschneiden.
Referenzen
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250 Wahlkreise nach Lindner/Goebel/Lindner in gelb, 299 Wahlkreise nach Gesetzeslage (aktuelle Einteilung) in blau. ↩
-
Frieser, Michael. 2019. „Die Erststimme – Scharnier zwischen Region und Hauptstadt“. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Bd. 8. ↩
-
Krings, Günter. 2019. „Die Aufgaben eines neuen Wahlrechts“. Rheinische Post. Volltext. ↩
-
Supreme Court of Canada. 1991. „re Prov. Electoral Boundaries (Sask.)". Jg. 158. Bd. 2. Volltext. ↩
-
Kenny, Christopher, Colin McCartan, Benjamin Fifield und Kosuke Imai. 2022. redist: Simulation Methods for Legislative Redistricting. R-Paket. Website. ↩
-
Fryer, Roland G., Jr., und Richard Holden. 2011. „Measuring the Compactness of Political Districting Plans“. The Journal of Law and Economics 54 (3): 493–535. ↩